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Die rechte Zeit der Torfbereitung — die Sommerzeit — ist
jetzt vorüber, und daher treffen wir heute auf dem Moore nur noch
wenige Männer bei verspäteter Arbeit. An den trocken gelegten Orten
stechen sie den Torf mit scharfen Spaten ab; dagegen wird von ihnen
an anderen Stellen die noch feuchte Torferde in hölzerne Formen
geworfen und daun oben mit einem kleinen Brette eben gestrichen; es
gelingt jedoch nur bei sonnigem Herbstwetter, diesen Tors noch trocken
unter Dach und Fach zu bringen.
Trotz dieser alljährlich sich wiederholenden Ausnutzung des Moores
wird die Torferde auf den großen Moorflächen nicht alle; denn sie
bildet sich tagtäglich dadurch neu, daß die Heidekräuter, Biufeu, Ried-
gräfer und Torfmoose, wie wir sie vor unseren Augeu sehen, in den
Wintermonaten niedersinken und verwesen, und daß aus dieser Unter-
läge dann im nächsten Frühjahr nene Pflanzen wachsen, welche im
folgenden Winter dasselbe Schicksal erfahren.
Durch das Herausnehmen der Torferde entstehen aber zahlreiche
Gruben, mit brauuem, übelschmeckenden Moorwasser angefüllt, und
um dieses abzuleiteu, hat man mehrfach Abzugsgräben angelegt, unter
denen der Schiffgraben, an welchem wir auf dem Rückwege entlang
gehen, der größeste ist. Er gleicht einem kleinen Flusse und fließt
über „Gr. Buchholz" uach dem Steuerndiebe und von da in gerader
Linie durch die Eilenriede an dem Zoologischen Garten vorüber bis
nach dem „Neuen Hause" hin, wo ein übermauerter Kaual das Wasser
aufnimmt, um es der Leine zuzuführen. Noch zu Anfang dieses Jahr-
Hunderts fuhren die Bewohner Hannovers den Torf mit Kähnen auf
diesem Wasserwege durch die Schissgrabeustraße bis an das Aegiedienthor.
Aus dem Wege durch die Eileuriede freuen wir uns über diesen
herrlichen Wald, welchen man mit Recht einem großen Palaste ver-
glichen hat, aufgebaut auf hohen Säulen, nämlich auf schlanken Tannen,
Eichen und Buchen. Zweige und Laubwerk wölben das Dach, bald
im Ruudbogen, bald im Spitzbogen, und Gras und Moos bilden den
Teppich, häufig mit vielfarbigen Blumeu durchwirkt. Da wächst das
Maiglöckchen und Leberblümchen, das Milzkraut, der Waldmeister und
viele andere duftende Blümchen.
Dichter und Sänger haben aus diesem Pflanzenteppiche zwei
Blumen herausgenommen und dieselben mit ihren Liedern verherrlicht:
das Maiglöckchen und den Waldmeister.
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Zweite Keile:
Bon Hannover bis an die Wasserscheide zwischen
Weser und Elbe. Siehe Karte 1.
Erster Tag:
Die Leine bis an die Mündung in die Aller.
Von jetzt an durchwandern wir weitere Strecken über Berge und
Thäler, über Flüsse, Wiesen, Moore und Heideflächen bis an die
Grenzen unserer Provinz und noch darüber hinaus, sobald unser Weg
vorübergehend benachbarte Gebiete berührt.
Bei unseren Reisen nehmen wir die Flüsse als Wegweiser und
folgen von Hannover aus zuerst dem Laufe der Leine bis an die
Mündung in die Aller.
„Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt,
Dem will er seine Wunder weisen,
In Berg und Strom, in Wald und Feld."
Unterwegs halten wir wie bei den vorigen Ausflügen Rundschau
im Lande, um zu beobachten, wie die Menschen jedem Boden seine
eigentümlichen Erzeugnisse abzugewinnen wissen: Hier legen sie Wiesen
an und dort Wälder, Ackerland und Gärten; hier stechen sie Torf
und an anderen Orten bohren sie nach Petroleum und Steinsalz, oder
sie fördern aus deu dunklen Bergwerken Erze und Steinkohlen an
das Tageslicht. Sie scheuen die harte Arbeit uicht; denn Arbeit
macht das Leben süß!
Unser erstes Interesse an der Leine wecken die Wiesen neben dem
Georgengarten und vor der Herrenhäuser Kunst, weil sie uns im
Sommer eiu anschauliches Bild von dem Leben und Treiben auf den
Marschwiesen geben; denn Pferde und Kühe bleiben hier vom Mai an
5 Monate lang Tag und Nacht im Freien.
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Auf der Aller herrscht oft, wenn die Holzhändler aus Celle und
Winsen a. d. A. ihre Holzflöße nach Bremen senden, ein reges Leben;
denn Tannen und Fuhren bilden durch die ganze Heidegegend einen
bedeutenden Handelsartikel.
Der Floßmeister vereinigt etwa 29 Balken zu einem Floße, indem
er am untern und obern Ende eines jeden Bauines ein Loch bohrt,
um in dieses mit Holzkeilen einen aus Weiden geflochtenen Strang
hineinzutreiben, so daß dieses Weidenband schließlich über das ganze
Floß hinläuft und die einzelnen Balken zusammenhält.
Bei der Mündnng der Wietze, welche ihre ersten Gewässer aus
dem Grenzgraben der Eilenriede bei der List und durch kleine Zuflüsse
aus dem Warmbüchener Moor erhält, verlassen wir die Aller, um die
Teerquellen bei den Dörfern Wietze und Steinförde aufzusuchen.
Es sind hier in letzten Jahren 7 Bohrtürme errichtet, durch welche,
— freilich in bedeutender Tiefe — Petroleumquellen erschlossen sind
und in noch tieferen Schichten auch Steinsalzlager. Daneben haben
einige Hofbesitzer auch auf ihren Grundstücken Teerquellen, und das
von ihnen angewandte einfache Verfahren bei der Gewinnung des
Teeres ist folgendes:
Man thnt die fette Erde aus den Quellen in große Kessel, gießt
heißes Wasser darüber und füllt dann die oben schwimmenden Fetlteile
ab. Aber sowohl die durch die Bohrtürme, wie auch durch diese Quellen
gewonnen Petroleummassen werden ungereinigt als Wagenschmiere in
den Handel gebracht.
Auf dem Rückwege gehen wir an der Wietze entlang bis an die
Aller. Der Wietzemündung gegenüber am rechten Ufer der Aller zieht
sich stundenweit bis in die Nähe von Hudemühlen ein umfangreiches
Moor hin, größer als das Neustädter und Warmbüchener Moor.
Kein Baum unterbricht die unabsehbare Einöde, welche mit schilfigem
Moorgras und Binsen bedeckt ist. Hier sind die Brutstätten der wilden
Enten, Bekassinen und Kiebitze; ja selbst Kraniche, die sonst meistens
weiter nach Norden ziehen, nisten in diesem großen Moore.
Wenn du in später Abendstunde oder zur Nachtzeit an solch'
ausgedehnten Moorflächen vorüber wanderst, auf welchen die. tiefe
Stille nur durch den emtönigen Ruf der Wasser- und Sumpfvögel
unterbrochen wird, dann zieht ein banges Gefühl der Einsamkeit in
dein Herz hinein, und in deiner Einbildung erscheint dir das Glüh-
würmchen im Moore wie ein Irrlicht. Aber wehe dir, wenn du in
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1. Um größere Heideflächen zu durchwandern.
2. Um die sieben Steinhäuser aufzusuchen.
3. Um in einem Bauernhause Einkehr zu halten.
1. „Es ist so still, die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale.
Die Kräuter blühn, der Heidednst
Steigt in die blaue Sommerlust.
2. Lauskäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen.
Die Vöglein schwirren ans dem Ärant,
Die Lust ist voller Lerchenlaut."
Wir sind jetzt im Herzen der Lüneburger Heide. Schattenlos
und einsam ist unser Weg, und mühevoll ist das Wandern im losen
Wüstensande. Ringsum herrscht tiefe Stille, welche aber ab und an
wohlthueud unterbrochen wird durch das Zirpen der Grille, das
Summen der Bienen und durch den fröhlichen Gesang der Heidelerche.
Auf weiten Strecken sehen wir nur Himmel und Erde vor uns;
während au anderen Stellen Birken- und Fuhrenwälder, der zierliche
Wachholderstranch, der gelbblüheude Ginster oder auch die wilde Rose
willkommene Abwechselungen in die Eintönigkeit der öden Heideflächen
bringen. Wir stecken uns einen duftenden Rosenstrauß au deu Hut
und singen das Lied von dem Heideröslein:
„Sah ein Knab' ein Röslein stehn,
Röslein aus der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell, es nah zu sehn,
Sah's mit vielen Freuden."■
Man hat diese ausgedehnten Heideflächen verglichen mit dem
weiten Meere, und in Wahrheit ist in ganz früher Zeit, wie wir das
schon beim Lindener Berge gesehen haben, die ganze „Norddeutsche
Tiefebene" vom Meere bedeckt gewesen. Die stummen Zeugen für
diese Annahme sind dort am Lindener Berge die versteinerten Meer-
schneckenhäuser und hier neben versteinerten Seeigeln, die auf Eisschollen
von Schweden und Norwegen hierhergetragenen umfangreichen Granit-
blöcks.
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Schmucksachen haben die damaligen Bewohner wahrscheinlich von den
Phöniziern, welche schon in alter Zeit mit ihren Schiffen von der
Westküste Asiens durch das Mittelländische Meer und durch den At-
lantischen Oeean nach der Ostsee gefahren sein sollen, gegen Pelzwerk
und Bernstein eingetauscht. Bereits zu Salomos Zeit, 1000 Jahre
vor Christi Geburt, stand Kunst und Handwerk bei diesem kühnen
Seefahrervolk aus hoher Stufe, wie mir das aus der Geschichte von
dem Tempelban in Jerusalem wissen. Die Zeit, in welcher man den
Verstorbenen bronzene Schwerter mit in das Grab gab, nennt man
die Bronzezeit. Im hannoverschen Museum ist eine ganze Sammlung
von bronzenen Schwertern und Spangen ausgestellt.
Die Einwohner unseres Landes waren zur Steiu- und Bronzezeit
wahrscheinlich noch keine Deutsche. Als die Römer im Jahre 113 v. Chr.
mit uuseru alteu Vorfahren kämpften, welche aus den fernen Gebirgs-
gegenden Kleinasiens eingewandert waren, trafen sie bei ihnen bereits
eiserne Waffen an.
Die „Sieben Steinhäuser" werden der Denkwürdigkeit wegen von
Hannover aus vielfach besucht. Um aber rascher zum Ziele kommen
zu können, wählt man nicht unsern heutigen Weg, sondern denjenigen
mit der Eisenbahn Hannover-Visselhövede bis nach der Station Wals-
rode, geht dann über Fallingbostel und erreicht von Walsrode ans
in etwa drei Stunden den einstelligen Bauernhof Homannshof, in
nächster Nähe der Steinhäuser an einem klaren Heidbache gelegen.
Vierter Tag:
Von den Steinhäusern bis Fallingbostel. Eingehende
Besichtigung eines Bauernhauses.
An dem Wege nach Fallingbostel liegen, wie überall in der
Lüneburger Heide, einzelne Gehöfte, beschattet von Eichen und Buchen
und begrenzt von geflochtenen Zäunen. Stets haben entweder Quellen,
fruchtbare Äcker und Wiesen oder liebliche Waldesstellen die Menschen
zum Anbaue herbeigelockt.
Die meistens aus Fachwerk gebauten und mit Stroh und Heide
gedeckten, ehrwürdigen Wohnhäuser haben an der Giebelseite hölzerne
Pferdeköpfe, wie wir sie schon auf unserm ersten Ausfluge in Vahren-
wald sahen, und in die Querbalken über den Thüren sind fromme
Sprüche geschnitzt, z. B. Bete und arbeite! Unsern Ein- und Ausgang
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segne Gott! und andere. Unter dem Dache Hausen die zutraulichen
Schwalbeu, und das mit grünem Moos bewachsene Strohdach wählt
der Storch mit Vorliebe für sein kunstloses Nest.
Wir treten ein in eins der älteren Häuser, um die Bauart des-
selben kennen zu lernen. Wohnhaus, Viehhaus und Dreschdiele be-
finden sich unter einem Dache. An die große Wohnstube (Döuze)
grenzt außer einer größeren Schlafkammer auch ein Alkoven, d. i. eine
kleine Kammer ohne Fenster, in welcher eben nur ein Bett und Stuhl
Platz findet. Ein umfangreicher, von außen zu heizender, eiserner
Ofen mit einem springenden Pferde steht in der Nähe des Alkoven.
Auf dem Vorplatze (Fleet), welcher durch eiu hölzernes Gitter
(Heck oder Gatter) vou der Viehdiele getrennt ist, befindet sich der
ans gebrannten Lehmsteinen gemauerte, offene Kamin, mit dem an einer
Kette hängenden großen Kessel. Um diesen Herd saßen früher Herr
und Knecht, Frau und Magd in den freien Stunden beisammen. Weil
kein Schornstein vorhanden ist, so durchzieht vou dem Kamine der
Rauch das ganze Haus und durchräuchert in gründlicher Weise die
über dem Herde im „Wiehme" hängenden Schinken und Würste.
An der aus Lehm gestampften, großen Viehdiele stehen die Kühe,
mit den Köpfen der Diele zugewandt. Diefe Viehdiele wird auch als
Dreschtenne benutzt und ist mittels einer hohen Einfahrtsthür, durch
welche ein beladener Erntewagen fahren kann, mit dem offenen Vor-
schauer verbunden. Zu beiden Seiten des Vorschauers sind die Pserde-
ställe. Über denselben auf den „Böhnen" (Bühnen) schlafen die
Pferdeknechte und über dem Kuhstalle der Ochsenknecht. Vor dem
Hanse führt eine kleine Leiter auf den Hühnerwiehin hinauf. Die
Vorratskammern und der Keller befinden sich in einem nahe gelegenen
kleinen Nebengebäude, im Speicher.
So sind aber nur die älteren Wohngebäude eingerichtet, welche
zum Teil schon über 300 Jahre stehen; die neueren Häuser dagegeu
haben Schornsteine, und die Wohnräume sind von dem Viehhause
nicht durch ein Holzgitter, sondern durch eine gemauerte Wand getrennt.
Aus dem geräumigen Hofe, nicht weit von der Seitenthür des
Hauses liegt der offene Brunnen (Soot) mit dem hohen Hebel zum
Heraufziehen des Eimers. Etwas abseits steht der Backosen, und
hinter demselben oder neben dem Brunnen ist häufig eiu Holunder-
stranch gepflanzt, unter dessen Schatten das Hühnervolk am heißen
Sommertage, eingescharrt im kühlen Sande, seine Ruhe hält, und
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dessen schwarzglänzende Beeren im Herbste das zierliche Rotkehlchen
als gern gesehenen Gast herbeilocken.
Hinter dem Stubenfenster ist ein kleiner Blumengarten angelegt,
mit Nelken, Akeley, Pfingstrosen, Krauseminze und Kamillen bepflanzt,
und daran schließt sich ein größerer Gemüsegarten. Holunderstrauch
und Kamillenbeet sind die Apotheken der Bewohner; denn bei jeder
Erkältung muß der schweißtreibende Flieder- und Kamillenthee ge-
trunken werden.
Wir bleiben den ganzen Tag auf einem Bauernhofe, um das
Leben und Treiben der Menschen kennen zu lernen.
Fünfter Tag:
Fortsetzung der letzten Reise und dabei Beobachtung
der Beschäftigung und des Wesens der Heidebewohner.
Wir stehen mit nnsern Gastgebern am srühen Morgen ans und
verweilen bei ihnen bis an den Abend. Es ist Frühling. Schon um
4 Uhr weckt der Hauswirt oder der Großknecht das Hausgesinde, und
jedermann eilt an die für ihn bestimmte Arbeit. Der Pferdeknecht
giebt den Pferden Hafer, und dann putzt und striegelt er sie. Andere
Knechte versorgen die Kühe und schassen Heide und Stroh zur Streu
in die Viehställe, und die Mägde melken die Kühe, tränken die Kälber
und füttern die Schweine. Während der Zeit richtet die Hausfrau
das erste Frühstück au, entweder aus Milch mit Buchweizengrütze, oder
in neuerer Zeit oft aus Kaffee bestehend, und erst gegen 6 Uhr, nach-
dem alles Vieh versorgt ist, setzt das Gesinde sich zu Tische.
Daraus verlassen die Männer den Hof, welcher stets von Acker-
land umgeben ist, und hier auf dem Ackerland bleiben zunächst die
Pferdeknechte mit den Gespannen zum Pflügen, Säen und Eggen.
Von deu übrigen Knechten ziehen einige weiter auf die Berieseluugs-
wiesen, die Gräben zu reinigen, und die letzten endlich müssen den
längsten Weg zurücklegen nach der weiter entfernt liegenden Heide, die
Heidebüschel zur Streu für das Vieh abzuhauen.
Dort kreuzen auch der Imker und der Schäfer nnsern Weg;
denn Bienenzaun und Schafstall liegen, geschützt durch einen Kranz
von Birken und Fuhren, mitten in der Heide, wo das Hauptweidefeld
ist für die Bienen und Heidfchnncken. Da die Schafe sich bei der
Schaswäsche vor der Schur in den kalten Heidebächen leicht erkälten
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können, so legt man in der Nähe der Schafställe, wenn die Quellen
nicht zu tief liegen, zur Schafwäfche Teiche an, in welchen das Wasser
stets wärmer ist, als in den Flüssen, und die dann zugleich als Schaf-
tränke dienen. Der Imker geht bei seiner Arbeit im Bienenzaune
rauchend von Bienenkorb zu Bienenkorb, weil der Dampf ihn vor den
Stichen der Bienen schützt. Die Bienenschwärme, welche aus deu-
jenigen Bienenkörben, welche zwei Königinnen beherbergen, unter An-
sühruug der einen Königin ausziehen, weiß er, nachdem sie sich an
eine:n Zweige gesammelt haben, in einein leeren Korbe geschickt wieder
einznsangen. Die Dächer der mit Stroh und Heide gedeckten Schas-
ftälle reichen bis auf die Erde hinab, weil das die Ställe im Winter
warm und im Sommer kühl erhält.
Um 9 Uhr wird draußeu das zweite nahrhafte Frühstück gegessen,
nämlich geschrotenes Brot und geräucherter Speck, und um 12 Uhr
wechseln im Hause auf dem Mittagstische an den verschiedenen Tagen
Buchweizenpfannkuchen mit Fleischspeisen, Kartoffeln und Buchweizen-
klößen ab.
Nach dem Essen ist sür alle eine Stunde Ruhezeit bestimmt, und
hernach beginnt die Arbeit in ähnlicher Weise wie am Vormittage.
Eine Pause tritt um 4 Uhr nachmittags ein, zur Vesperzeit, und erst
um 7 Uhr finden sich alle nach vollbrachter Arbeit aus deu: Hofe
wieder au. Zunächst wird nun das Vieh gefüttert, gegen 8 Uhr wird
gegessen, und nach dem Grundsatze: „Früh zu Bett und srüh wieder
auf!" begiebt sich das Gesinde nach einem kurzen Plauderstündchen
zur Ruhe.
Die vorhin beschriebenen Arbeiten gewinnen aber au Abwechse-
luug in den folgenden Jahreszeiten: Im Sommer durch das Gras-
mähen, Heutrocknen, Torfstechen, Schafwaschen und Schafscheeren; im
Herbste durch die vielfachen Erntearbeiten, und im Wiuter durch das
Drefcheu, Spiuueu und Weben. Das Spinnen und Weben wird von
der Hausfrau und den Mägden besorgt, welche im Frühlinge, Sommer
und Herbste auch alle Garteuarbeiten zu verrichteu haben.
Welcher Art sind denn die Bewohner der Heide? Sie gleichen,
wie überall auf der weiten Welt, ihrer Umgebung. Still und friedlich
liegt so ein Heidedorf da, und still und friedlich sind auch meistens
die Menschen; nur spärlich spendet der Boden ihnen seine Erzeugnisse
und Gaben, und in Folge davon bilden Genügsamkeit und Sparsam-
keit durchweg den Grundzug ihres Wesens. Au: Sonntagmorgen
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ziehen sie ernsten Sinnes stundenweit in dasselbe ehrwürdige Kirchlein,
in welchem bereits ihre Urväter sich zum Gottesdienste versammelten,
und andächtig werden auch wir beim Anblicke der schwarz gekleideten
Menschenzüge gestimmt, umgeben von dem tiefen Frieden, welcher
ganz besonders an diesem Tage auf der weiten Heidefläche ruht. Der
Dichter singt davon:
„Die Hirten neben der Herde ruh'n,
Die Herde ruht auf der Weide;
Die Menschen ziehen zur Kirche nun
Im festlichen Sonntagskleide."
Wie ist aber das Leben der Kinder in diesen einsamen Gegenden?
Mehrere Höfe und kleinere Dörfer sind zu einer Schulgemeinde ver-
einigt, und die Folge davon ist, daß die Kinder oft Schulwege von
dreiviertel Stunden zu machen haben. Auf diesen Wegen, wo die
Schulkameraden sich allmählich ansammeln, geht es aber meistens
lustig her. Da wird im Takte marschiert, Wettlaufen geübt imt>
sonstige Kurzweil getrieben. Nach der Schule werden, wie auch bei
uns, die Schularbeiten angefertigt, und hernach beginnt das Spiel,
oft freilich nur mit wenigen Spielgenossen. Der Holunderstrauch,
der Weidenbaum und das Röhricht im Teiche sind ihre Spielwaren-
lüden. Aus den markigen Holunderzweigen fertigen sie nämlich Spritz-
und Knallbüchsen an, und ans dem herausgestoßenen Marke inachen
sie Purzelmänner. Im Frühliuge, wenn der Saft in die Bäume
steigt, klopfen sie die Rinde von den Weidenruten ab, um Flöteu
daraus zu schneiden, und das Rohr im Teiche muß ihnen andere
Blasinstrumente liefern. Märchenbücher, wie die Stadtkinder, besitzen
sie nur selten; aber sie leben auf vertrauten Fuße mit der Natur,
und daher sind auch Wiese, Wald und Feld die einzelnen Blätter in
ihrem großen Sagen- und Märchenbuche. Mit den kleineren Ge-
schwistern durchstreifen sie nämlich die Umgebung der Gehöfte, und am
Teiche rufen die erfahrenen Zugführer deu ihnen anvertrauten jüngeren
Kindern warnend zu: „Geht nicht zu nahe an das Wasser, denn es
sitzt der Wassermann darin; auch das Kornfeld dürft ihr nicht be-
treten, fönst hakt euch das Kornweib hinein; wagt euch ebenfalls nicht
zu weit an das Moor hinan, besonders nicht zur Abendzeit, weil das
Irrlicht euch auf Nimmerwiedersehen hineinlocken konnte in die schauer-
liche Tiefe." Am Rande des Kleeackers suchen alle emsig nach vier-
blättrigem Klee, denn der bringt dein Finder Glück. Wenn der Kuckuck
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Nahe bei Soltau liegt der einstellige Hof Stübeckshorn, auf
welchem Hermann Billung, welcher später Herzog von Sachsen wurde,
geboren sein soll. Von Stübeckshorn hat sich folgende Sage erhalten:
Kaiser Otto der Große, welcher deutscher Kaiser war von 936—973,
reitet einst aus seiner Reise nach Soltau über Stübeckshorn und will
in der Nähe des Hofes seinen Weg über das Ackerfeld nehmen. Hier
hütet aber Hermann, der junge Sohn des Meyers, die Schafe und
stellt sich mit seinem Hirtenstabe, an welchem ein kleines Beil befestigt
ist, dem Kaiser mit den Worten entgegen: „Hier darf nicht geritten
werden." Diese Keckheit gefällt dem Kaiser sehr, er nimmt den Knaben
mit an den Hof und ernennt ihn zum Edelknaben. Nach feinem kleinen
Beile wird er fortan Hermann Bieling genannt. So lautet die Sage;
aber Hermanns Geburtsstätte ist wahrscheinlich das nach ihm benannte
Hermannsburg gewesen, wo sein Haupthof gelegen hat.
Zwei Stunden östlich von Soltau, nahe bei Munster, hat die
Regierung etwa 23 000 Morgen Heide und Fuhrenwalduug angekauft
zu einem Schießübuugs- und Exerzierplatze für unsere Soldaten
(34/5 Morgen = 1 ha). Gleich den Kruppschen Schießplätzen bei
Meppen liegen auch diese großen Flächen, wegen der weitgehenden
neuen Geschosse, in einsamer, menschenleerer Gegend.
Das Lager besteht aus 25 Wellblechbaracken, in welchen gleich-
zeitig über 3000 Soldaten, nebst Unteroffizieren und Offizieren unter-
gebracht werden. Für die Pferde sind 15 Stallzelte errichtet, und
wenn keine Kavallerie im Lager ist, so werden auch diese Zelte mit
Mannschaften belegt. Die Stabsoffiziere wohnen in gemauerten Ba-
racken, und alle Offiziere essen gemeinschaftlich im Kasino, während
für die Soldaten sieben geräumige Küchen gebaut sind. Durch das
Lager, welches mit einer kleinen Stadt Ähnlichkeit hat, führen nach
allen Richtungen Straßen. Die Übungen daueru gewöhnlich von
Mitte Mai bis Anfang September, so daß sämtliche Regimenter des
10. Armeekorps den Sommer hindurch nacheinander ihre Übungen in
Munster abhalten können. Im Winter bleibt nur ein Arbeits-Kom-
mando von 120 Mann im Lager, welches mit Wegeanlagen und
allerlei Ausbesserungen beschäftigt wird. Nördlich von diesem Platze
zieht sich ein langgestreckter Höhenzug hiu, welcher die Wasserscheide
bildet zwischen Weser und Elbe, und wir folgen demselben in füdöst-
licher Richtung bis nach dem Lüßwald neben der Station Unterlüß
an der Hannover-Harburger Eisenbahn.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Hermann_Billung Otto Hermann Hermann_Bieling